Sie macht einen glänzenden Job: Michelle Sachs ist Vergolderin – und übt ein uraltes Handwerk aus, das volle Konzentration und viel Fingerspitzengefühl verlangt.
"Vor allem Gold hat etwas Magisches, eine starke Kraft. Anders als andere Metalle läuft es nicht an, sondern bleibt einfach, wie es ist."
- Michelle Sachs, Vergolderin
Vergolden verlangt Fingerspitzengefühl
Ortstermin in Berlin-Weißensee. Hier hat Vergolderin Michelle Sachs ihr Atelier. Wie in Zeitlupe schiebt sie das spatelförmige Messer unter ein hauchdünnes Blatt und hebt es, unterstützt durch einen gezielten Atemstoß, in die Luft. Sanft landet es auf dem Lederkissen in ihrer linken Hand. Pures Gold, acht mal acht Zentimeter.
Was dann folgt, ist eigentlich nur ein Schritt von vielen, bis Objekte wie Bilderrahmen, Statuen oder Wände magisch funkeln. Dennoch: Das Anschießen, so nennt man das Auflegen des Blattmetalls an die dafür vorgesehene Stelle, ist der Inbegriff ihrer Arbeit als Vergolderin und verlangt viel Fingerspitzengefühl.
Magische Anziehungskraft
Mit dem Anschießer, einem dünnen Pinsel aus dem Haar des sibirischen Eichhörnchens, streicht sie erst über ihre Stirn und nähert sich dann langsam dem vor ihr bereitliegenden Blattgold. Das edle Werkzeug scheint nach dem Hautkontakt statisch aufgeladen und zieht das filigrane Blatt wie magisch an.
Es dient als Transportmittel des Edelmetalls, das so fein ist, dass jetzt eine falsche Bewegung oder eben ein ungeplanter Windstoß es unbrauchbar machen würde für die Weiterverarbeitung.
Die eigentliche Arbeit, so Michelle, stecke allerdings in der Vorbereitung der Oberfläche, dem Schleifen, der mehrfach aufgetragenen Grundierung mit einem nach eigener Rezeptur hergestellten Kreidegrund und den bis zu vier Schichten aufgetragenen Poliment. Dazu kommen Trocknungszeiten und das Polieren.
Auftrag von der Staatsoper
Seit 15 Jahren hat Michelle ihren Gesellenbrief in der Tasche. Doch leben ließ es sich von dem seltenen Beruf anfangs nicht. „In den ersten Jahren habe ich in Malerbetrieben ausgeholfen, um mich über Wasser zu halten“, erzählt sie.
Der Wendepunkt kam 2017 mit einem Auftrag von der Staatsoper in Berlin. Mehr als 13 Kilometer Profile und Ornamente hat sie dort vergoldet. Eigentlich hatte man sie nur für ein paar Türen angefragt. Aber dann kam immer mehr dazu.
Über Nacht wurde Sachs zur Chefin, leitete ein ganzes Jahr lang ein kleines Team aus Restauratoren, Künstlern und Handwerkern an und brachte die Räume zum Glänzen.
Wenn auch nicht mit echtem Gold, wie sie verrät: „Große Flächen sind wegen des hohen Materialpreises fast immer aus Messing.“ Der Unterschied: für Laien kaum auszumachen.
Glanz ohne Schatten
Ihr Beruf hält gleichwohl nicht nur Großbaustellen bereit. Sachs vergoldet auch ungewöhnliche Dinge wie einen Autoschlüssel, den ihr ein Kunde vorbeigebracht hat. Sachs hat ihn bereits mit dünnem Blattgold bedeckt. Überschüssiges Material steht hier und da etwas ab, die Oberfläche ist noch nicht poliert.
Bei Ölvergoldungen wie dieser nutzt Sachs dafür einen sehr feinen Pinsel. Polimentvergoldungen dagegen erhalten ihren letzten Schliff durch einen Achatstein, mit dem sie Strich um Strich über das Blattgold reibt.
So wird der darunterliegende Kreidegrund zusammengepresst. Das bringt die Oberfläche schließlich zum Strahlen – manchmal so sehr, dass auf der vergoldeten und hochglanzpolierten Fläche keine Schatten mehr sichtbar werden können.
Die starke Kraft des Goldes
Es ist dieser außergewöhnliche Glanz, der die Berlinerin bis heute fasziniert. „Das erreicht man nicht mit Farben, das geht nur mit Metall. Vor allem Gold hat etwas Magisches, eine starke Kraft. Anders als andere Metalle läuft es nicht an, sondern bleibt einfach, wie es ist, auch draußen.“
Das Blattgold sowie auch andere Schlagmetalle bezieht sie wie viele der für das Vergolderhandwerk nötigen Werkstoffe und Werkzeuge von einer der beiden traditionsreichen Blattgoldschlägereien in Deutschland. Der Preis des Blattgolds orientiert sich dabei tagesaktuell am Börsenwert des Goldpreises.
Grundierung ist entscheidend
Rein technisch lasse sich alles vergolden, so Michelle. Ausschlaggebend für den Halt sei die richtige Grundierung. Sie selbst hat eine Vorliebe für vergoldete Ginkgoblätter. Mit 1/10.000 Millimeter dünnem Blattgold belegt, bleiben auf den Blättern sogar die feinen Adern sichtbar.
Ihr Farbfächer hält 25 verschiedene Goldtöne vor: Vom reinen Blattgold mit 24 Karat über Legierungen mit Kupfer oder Palladium, von rötlichen Tönen über Weißgold bis hin zu grünlichen Tönen oder dem dunklen Mondgold ist alles dabei.
Zu den Legierungen kommen Blattkupfer und Blattmessing für große Flächen. Um die verschiedenen Veredelungstechniken zu veranschaulichen, hat Michelle außerdem DIN-A4 große Musterplatten angefertigt. Auch Punzierungen und Gravuren gehören zu ihrem Handwerk.
Ihre Leidenschaft: Goldbilder
Goldbilder, auf denen sie mit Techniken und Material experimentiert, sind Michelles große Leidenschaft. Auf Leinwänden und Holzplatten lässt sie vergoldete Oberflächen Patina entwickeln, spielt mit unterschiedlichen Strukturen oder kombiniert Goldtöne kunstvoll miteinander. „Das ist total spannend. Denn man weiß nie, wie sich die Oberfläche entwickelt.“
Wie viel Zeit ihr dafür in Zukunft bleibt, wird sich zeigen. Denn schon bald geht Michelle Sachs nach München. Dort will sie an der weltweit einzigen Meisterschule für Vergolder und Kirchenmaler ihren Meister machen.