Die Gewinner des Social Design Award 2019
Anforderungen an das Wohnen wandeln sich mit jeder Lebensphase und gestalten sich auch immer wieder neu – je nach persönlichem Lebensentwurf und Vorstellungen von Gemeinschaft und Glück. Statt Altbau, Reihenhäuschen oder Hochhaussiedlung ist Wohnraum gefragt, der mehr Lebensentwürfe aufnehmen kann als das Paar oder den Single, die junge Kleinfamilie oder die pflegebedürftige alleinstehende alte Dame.
SPIEGEL WISSEN und SPIEGEL ONLINE, in Kooperation mit BAUHAUS, suchten die besten Ideen und Projekte, bei denen der Lebensentwurf die Form und die Art des Zusammenlebens bestimmen und nicht umgekehrt! Jeder, egal ob Stadtentwickler, Bürgerinitiative, Designer, Einzelaktivist oder Schulklasse, konnte sich mit einem Gestaltungsvorschlag beim Social Design Award bewerben.
Wie lief der Wettbewerb ab?
Zum sechsten Mal war BAUHAUS Kooperationspartner beim „Social Design Award“, der von SPIEGEL WISSEN und SPIEGEL ONLINE vergeben wurde. Unter dem Motto „Gute Ideen für gemeinsames Wohnen und neues Bauen“ konnte jeder mit einer kreativen Idee teilnehmen.
Aus allen eingereichten Beiträgen wählte die Jury die besten Ideen aus, die Anfang Oktober 2019 auf SPIEGEL ONLINE vorgestellt wurden. Aus dieser Shortlist wählte die Jury dann ihren Sieger, und die Leser von SPIEGEL ONLINE und SPIEGEL WISSEN stimmten über den Gewinner des Publikums-Preises ab.
Die Gewinner
Publikumspreis: Hebammenhaus in Ghana
Mitten im Dschungel von Ghana, an der Grenze zu Togo, zieht sich an einer Durchgangsstraße das Dorf Havé entlang. 8000 Menschen leben hier, die Hälfte davon sind Kinder. Schon deshalb ist die Geburtsstation das Herzstück von Havé. Der Einzugsbereich ist groß, weshalb viel Geburtshelferinnen gebraucht werden. Diese haben selbst Familien, und das war das Problem: Es gab keinen Wohnraum für diese Familien, weshalb die Hebammen jahrelang getrennt von Mann und Kindern lebten. Auf Initiative des Kölner Vereins Meeting Bismarck e.V. entwarf und baute eine Gruppe von rund 50 deutschen und us-amerikanischen Studenten, deutschen Handwerksauszubildenden und ghanaischen Berufsschülern eine Hebammenschule und ein Wohnheim mit vier Einheiten von jeweils 30 Quadratmetern mit eigener Küche, Wohnraum und sechs Schlafplätzen. Der Entwurf greift auf die traditionelle „Compound Siedlung“ zurück, in der die Familien in engem Zusammenschluss rund um eine gemeinsame Fläche wohnen, und ist mit seinem passiven Klimakonzept konzipiert für die schwierigen Bedingungen im Dschungel.
Jurypreis: Affordable Palace
„Affordable Palace verwandelt den Royal Palace in eine innovative Co-Living-Struktur“, so heißt es nüchtern in der Beschreibung des Projekts. Doch dahinter versteckt sich eine revolutionäre Idee: Der Buckingham Palace in London soll um sechs Etagen aufgestockt werden und Wohnraum für 50.000 Menschen bieten. Dass die Queen & Co. 775 Zimmer und 79 Bäder für sich beanspruchen, halten die jungen Architekten des Münchner Büros Opposite Office nicht mehr für zeitgemäß in Zeiten von Wohnungsknappheit und Mietpreisexplosion. Ihr Entwurf sieht Cluster vor, in denen sich private Schlafräume um gemeinsame Ess- und Wohnzimmer gruppieren. Flexible Trennwände ermöglichen flexible Lebens- und Wohnmodelle. Natürlich soll auch der Mietpreis gedeckelt werden, und zwar bei acht Euro pro Quadratmeter. Eine effiziente Planung macht es möglich, dass nur relativ wenig Fläche für Flure und Treppenhäuser verbraucht wird. Die Architekten wissen natürlich, dass ihre Idee eine Idee bleiben wird. Sie möchten aber mit „Affordable Palace“ einen provokanten Beitrag zur Diskussion über das Recht auf Wohnraum und soziale Gerechtigkeit leisten.
Sonderpreis: Hinterhof-Dinner
Ein Sonderpreis – dotiert mit einem BAUHAUS Einkaufsgutschein im Wert von 1.000 Euro – geht an den Leipziger Verein Kollektiv Plus X und seine Idee „Hinterhof-Dinner“: „In größeren Wohnblocks wohnen Menschen Tür an Tür und kommen doch nie ins Gespräch“ - diese Beobachtung war Startpunkt für das „Hinterhof-Dinner“. Weil gemeinsames Essen Menschen miteinander in Verbindung bringt, kam der Leipziger Verein Kollektiv Plus X auf die Idee, gemeinsam mit einem Hausbewohner Nachbarn zum Dinner einzuladen. Und zwar im Hinterhof, wo dann in einer mobilen Küche gemeinsam gekocht wird. Ziel ist, dass alle sich in eine Kontaktliste eintragen, damit sie auch Kontakt halten können. Denn aus einer anonymen Nachbarschaft werde dann "ein Netzwerk mit gemeinsamen Interessen". Der Verein hat unter anderem schon mit der Bespielung von Brachen auf sich aufmerksam gemacht. Es bewegt sich mit seinen Aktionen „an der Schnittstelle von Kunst, Raumplanung, Design und Sozialer Arbeit“.
Die Jury
Das waren die Mitglieder der Expertenjury des Social Design Award 2019:
- Friedrich von Borries, Künstler und Professor für Designtheorie an der Hochschule für bildende Künste Hamburg
- Jolanthe Kugler, Autorin und Kuratorin am Vitra Design Museum in Weil am Rhein
- Thorsten Dörting, Geschäftsführender Redakteur, SPIEGEL ONLINE
- Marianne Wellershoff, Autorin bei SPIEGEL WISSEN
- Marcus Wegener, Geschäftsführer BAUHAUS Nord
Shortlist
Rund 150 Vorschläge wurden beim Social Design Award 2019 eingereicht. Zehn davon stehen auf der Shortlist. Die Vorschläge auf der Shortlist erhalten einen BAUHAUS Einkaufsgutschein im Wert von 500 Euro:
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Jurypreis: Affordable Palace
Der Buckingham Palace in London als Affordable Palace – aufgestockt um sechs Etagen und mit Wohnraum für 50.000 Menschen.
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Bring Together
Wer Nachbarn kennenlernen will, kann sich bei der Internetplattform nebenan.de anmelden. Was aber tun, wenn man überhaupt erst ein Nachbar werden will? Und vor allem, wenn man nicht irgendwelche Nachbarn sucht, sondern in einem gemeinschaftlich orientierten Projekt leben will? In diese Lücke stößt die 2015 in Leipzig gegründete Plattform „bring-together“.
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Green Urban Micro (Moritz Schreber Relaunch. Now!)
Wie wäre es, wenn in jeden Schrebergarten zwei Tiny Houses für Studenten oder für ältere Menschen stehen würden? Der Düsseldorfer Architekt und Szenograf Hans Hermann Hofstadt lud Studenten zu einem Workshop in den Schrebergarten ein und hat errechnet: Wenn in jedem zweiten der rund eine Million deutschen Schrebergärten eins stünde, dann könnte man - rein statistisch - fast alle Studienanfänger dort unterbringen.
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Publikumspreis: Hebammenhaus
Ein multinationales Team aus Studenten, Handwerksauszubildenden und ghanaischen Berufsschülern entwarf und baute eine Hebammenschule und ein Wohnheim mitten im Dschungel von Ghana. Als traditionelle „Compound Siedlung“ umfasst es vier Einheiten von jeweils 30 Quadratmetern mit eigener Küche, Wohnraum und sechs Schlafplätzen.
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Sonderpreis: Hinterhof-Dinner
Um Menschen in größeren Wohnblocks einander näher und ins Gespräch miteinander zu bringen, kam der Leipziger Verein Kollektiv Plus X auf die Idee, Nachbarn zum gemeinsamen Dinner einzuladen – und zwar im Hinterhof, wo dann in einer mobilen Küche gemeinsam gekocht wird.
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Mittendrin
An der Tatenberger Schleuse gab es Brückenpfeiler und einen asphaltierten Weg, der einmal für die Bahngleise zum KZ Neuengamme gebaut wurde. Gegen das „Über-Asphaltieren von Geschichte“ stellt „Gogtile“ seinen Entwurf eines Wohnhauses, das auf einem neuen Brückenpfeiler ruht und über eine Betonplattform mit dem alten Brückenpfeiler verbunden ist.
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Nika
Seit Juni 2019 leben 42 Menschen im Projekt „Nika“, einem gemeinschaftlichen Wohnprojekt in einem ehemaligen Bürogebäude im Frankfurter Bahnhofsviertel, das dem Mietshäusersyndikat angehört.
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Urbanes Leben auf dem Lande
Ein Hof aus dem 19. Jahrhundert, 1200 Quadratmeter Wohnfläche, Nebengebäude für Ateliers, Werkstätten, Co-Working-Space, 50 Kilometer von Berlin entfernt: Das sind die Eckpunkte von „Leben auf dem Landhof“, welches ein Ehepaar aus Celle mit seinen in Berlin lebenden erwachsenen Kindern gestartet hat. Zwölf Familien, aber auch Paare oder Singles, sollen einmal in die vier Häuser einziehen.
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we-house
Warum eigentlich muss man jedes einzelne Neubauprojekt wieder ganz neu denken? Wie wäre es, wenn man ein wirklich gutes und nachhaltiges Konzept erarbeitet und dieses dann an verschiedenen Standorten umsetzt? Das „we-house“ des Stuttgarter Architekturbüros Archy-Nova versucht genau das.
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#wohnenmorgen
Wie sieht die ideale Stadt von morgen aus? Was wollen wir beibehalten aus der Stadt von gestern und von heute? Das sind die Fragen, die das Wiener Architekturbüro AllesWirdGut in Workshops und Umfragen stellte. Konkret waren dies die Besucher zweier Ausstellungen in Stuttgart und im tschechischen Brno, die ihre Ideen für ein prototypisches Gebäude, den „Stadtbaustein von morgen“, einbringen konnten.