"Die Fahrräder, die aus meiner Werkstatt rollen, sollen absolut alltagstauglich sein."
- Senad Sarac, Vintage-Bike-Store „Le Vélo“
Frischer Kaffee und restaurierte Fahrräder
Dass Senad Sarac eine Schwäche für Oldtimer-Fahrräder hat, ist offensichtlich. Wer seinen mobilen Showroom im Atrium des „Kaufmannshauses“ in der Hamburger City besucht, wird schon mit der Nase darauf gestoßen. Aus einem umgebauten Wohnwagen duftet es nach Kaffee und Waffeln. Und zwischen den Stehtischen dahinter flankieren ein alter cremefarbener Porsche 912 als üppig bestücktes Pflanzgefäß Senads „Camping Coffee by Le Vélo“ – und rund 20 wunderbar restaurierte Fahrräder.
Vintage-Fahrräder – die sind es, die Senad Sarac am Herzen liegen. Um sie strickt sich seine Geschäftsidee: Der 41-Jährige erweckt Oldtimer-Bikes zu neuem Leben. Macht sie wieder straßentauglich. Gibt ihnen ihre volle Funktionstüchtigkeit zurück. Dafür hat er „Le Vélo“ gegründet, einen Vintage-Bike-Store. Unterstützt wird er dabei von seinem Bruder Sead.
Tausende Fahrräder gesammelt
„Fahrradverrückt war ich schon als Kind, lange bevor meine Familie Anfang der 90er-Jahre von Bosnien nach Deutschland geflohen ist“, erzählt Senad. Als Jugendlicher schnuppert er in die Radsport-Profiszene hinein. Sie bringt seine Sammelleidenschaft schnell ins Rollen.
Inzwischen umfasst Senads Sammlung mehrere tausend Fahrräder. Die meisten Modelle haben mindestens 70 Jahre auf dem Rahmen, manche hundert und mehr. Die Embleme, die sie tragen, zeugen von großer Fahrrad-Ingenieurskunst: Miele, NSU, Opel, Schwalbe, Tripad. Auch eine Spezialanfertigung für die Hamburger Polizei und ein englisches Militärrad sind unter seinen Schätzen.
Wertvolles Porsche-Rad aus den 40er-Jahren
Gesucht und gefunden hat Senad Sarac sie auf der ganzen Welt. Manche wurden ihm einfach angeboten, so auch vor mehr als 20 Jahren ein Porsche-Rad aus den 1940ern mit rostrotem Rahmen. Inzwischen dürfte das gute Stück mehrere tausend Euro wert sein, schätzt der ehemalige Radprofi. „Das gebe ich garantiert nicht mehr her.“ Genauso wenig wie ein weiteres Unikat: das einstige Trainingsrad der Boxlegende Max Schmeling.
Doch es sind nicht nur ihre Geschichte und ihre einstigen Besitzer, die die Vintage-Fahrräder von Le Vélo zum Teil so wertvoll machen. Ob Rarität oder No-Name-Produkt, alle sind Musterbeispiele solider Arbeit. Schlicht und geradlinig, ohne Chichi und Allüren.
Erstmal ab ins Alkoholbad
Schönheit vergeht, sagt der Volksmund. Der Radretter beweist in seiner Werkstatt das Gegenteil. Doch dafür muss einiges getan werden. Manche Fundstücke, so Senad, seien in einem erbärmlichen Zustand. Bis so ein alter Drahtesel wieder flott über den Asphalt galoppiert, sind mitunter bis zu 20 Arbeitstage nötig.
Die Verjüngungskur beginnt mit einem Alkoholbad. Je nach Zustand verbringt das Rad darin vier bis acht Tage – damit sich alle rostigen Schrauben lösen und das gute Stück in seine Einzelteile zerlegt werden kann. Einer der kniffligsten Arbeitsschritte ist dann, die Tretlager zu ersetzen und die Buchsen millimetergenau anzupassen. Das braucht schon mal drei Anläufe.
Originalteile retten oder originalgetreu ersetzen
Was Senad vor allem wichtig ist: das alte Kettenblatt zu erhalten. „Ohne dieses besondere Bauteil würde viel vom historischen Charme des Rads verloren gehen“, sagt er. Die Chancen, auch jedes Mal den Sattel zu retten, stehen hingegen weniger gut – von zehn Originalen ließen sich höchstens fünf aufarbeiten.
Besondere Zuwendung benötigt zudem der Rahmen. Eingesetzt werden Rostumwandler, Boots- und Klarlack sowie Hohlraumversiegelung – je nach Modell bis zu 15 chemische Helferlein. Selbst gedrechselte Pedalen und Griffe aus Hartholz wie Eiche, Buche oder Mahagoni ersetzen nicht mehr zu rettende Originalteile. Komplett ausgetauscht werden etwa sämtliche Schrauben, die Kette und natürlich die Schläuche.
Neue Pedale im alten Look
Damit seine Räder Fahrspaß und Komfort gleichermaßen bieten, hat Senad genügend Mittel parat. So setzt er eine moderne automatische Gangschaltung ein, alten Lampen verhilft er mit LED zu neuer Leuchtkraft, im Rahmen werden ein GPS-System oder eine Ladestation fürs Smartphone integriert. „Was aus meiner Werkstatt rollt, soll absolut alltagstauglich sein.“
Auch wer handgefertigte Accessoires rund ums Rad schätzt, wird bei Le Vélo fündig. Neben Pedalen und Holzgriffen bietet Senad zum Beispiel einen selbst entworfenen Tragegriff aus Leder fürs Rad an. Sein Anspruch: „Wir vereinen das Gute von gestern mit dem Besten von heute“. Deshalb werden unsere Räder auch in vielen Jahren bestimmt noch funktionieren.”