Reverse Graffiti: Riesige Zeichnungen mit Wasserkraft

Klaus Dauven aus Kreuzau-Boich bei Düren braucht keine Spraydosen. Allein mit der Strahlkraft von Hochdruckreinigern erschafft er monumentale Zeichnungen – sogenannte Reverse Graffiti. Zuletzt ließ er auf einem Staudamm in Frankreich die Silhouette eines Waldes entstehen. Wir sprachen mit ihm darüber.

"Was mich vor allem antreibt, ist die Herausforderung, in andere Dimensionen vorzustoßen."
- Klaus Dauven, Reverse-Graffiti-Künstler


Staudamm in Vouglans mit Reverse Graffiti-Kunstwerk im Winter

Herr Dauven, Sie haben schon Staudämme in der Eifel, in Sachsen sowie in Japan und Korea per Wasserstrahl mit gewaltigen Gemälden versehen. Ihr neuestes Projekt ist eine 110 mal 430 Meter große Waldlandschaft auf der Mauer des Staudamms von Vouglans im französischen Jura. Wie kommt’s?

Klaus Dauven: Ich hatte immer eine Affinität für das große Format. Schon bei meinen Zeichnungen auf Papier habe ich am liebsten die großen Bögen benutzt. Was mich vor allem antreibt, ist meine Abenteuerlust, die Herausforderung, in andere Dimensionen vorzustoßen – und, zugegebenermaßen, die Publikumswirksamkeit solch monumentaler Werke. Die Arbeiten an den Staumauern wären allerdings ohne Kärcher nicht möglich gewesen. Das Unternehmen hat mich in Sachen Geräte sowie logistisch und personell großzügig unterstützt. Von Kärcher kam dann auch die Idee mit den Staudämmen.

Das haben Sie sich sicher nicht zweimal sagen lassen?

Natürlich nicht. Ich habe gleich begonnen, in meiner Umgebung eine Staumauer zu suchen und direkt das Glück gehabt, an der Oleftalsperre meine Kunst ausprobieren zu dürfen. Als mein Werk dann Ostern 2007 fertiggestellt war, wollte der Ableger der Firma Kärcher in Japan am Matsudagawa-Staudamm bei Ashikaga (Foto) auch ein solches Projekt verwirklichen. So ging’s weiter. Es folgten Zeichnungen auf der Talsperre Eibenstock im Erzgebirge und auf dem Chungju-Damm in Südkorea. 2018 strahlte ich dann Gesichter auf die Mole des Hafens von Sète in Frankreich.


Klaus Dauven an der Staudamm-Mauer in Vouglans

Die Technik, die Sie auch auf Betonwänden an Brücken und Silos anwenden, nennt sich Reverse Graffiti. Haben Sie diese Technik erfunden?

Um ehrlich zu sein, war ich wohl nicht der erste. Aber Mitte der 90er-Jahre lag die Idee gewissermaßen in der Luft. Und da habe ich die Technik für mich entwickelt, ohne von anderen zu wissen.

Was ist das Besondere bei dieser Technik?

Die vorhandene Patina, also die Verschmutzungen durch Moos, Flechten, Pilze und Bakterien, wird auf allen möglichen Flächen partiell entfernt. Durch den Kontrast zwischen sauber und dreckig entsteht das Motiv.

Haben Sie dabei von Beginn an den Hochdruckreiniger eingesetzt?

Nein, am Anfang habe ich mit einer Drahtbürste gearbeitet.

Was ist das Schwierigste bei der künstlerischen Arbeit mit dem Hochdruckreiniger?

Die Geräte arbeiten sehr effektiv und sind gut zu handhaben. Die größte Herausforderung stellt die Suche nach einem passenden Motiv dar.


Staudamm in Vouglans mit Reverse Graffiti-Kunstwerk

Wie hat das genau in Vouglans an der Mauer des Staudamms funktioniert? Wie haben Sie die richtigen Stellen mit dem Kärcher bearbeiten können?

Die Vorzeichnung wurde mit 2500 Klebepunkten aus einer biologischen Knetmasse, die wir vorher auf die Konturen des Motivs gesprayt hatten, von Vermessungstechnikern und Industriekletterern auf die Wand übertragen. Die Punkte mussten dann – quasi wie beim Malen nach Zahlen – mit dem Strahl des Hochdruckreinigers verbunden und die Flächen abgereinigt werden.

Wo kamen Wasser und Strom her?

Wir haben besonderen Wert auf ein nachhaltiges Vorgehen gelegt. Das Wasser für die Hochdruckreiniger wurde aus dem Stausee entnommen. Den nötigen Strom lieferte das Wasserkraftwerk des Staudamms. Und: Auf Reinigungsmittel wurde auch verzichtet.

Wie viele Stunden haben Sie an Ihrem Kunstwerk gearbeitet?

Täglich waren wir etwa acht bis neun Stunden auf der Baustelle. Insgesamt hat es sieben Wochen gedauert, wobei die ersten drei wegen des schlechten Wetters so gut wie keinen Fortschritt gebracht haben.


Staudamm in Vouglans mit Reverse Graffiti-Kunstwerk im Winter

Das Kunstwerk in Vouglans zeigt eine Waldlandschaft. Was hat Sie dazu inspiriert?

Das französische Jura verfügt über einen riesigen beeindruckenden Wald, der wie ein Urwald wirkt. Dem wollte ich ein Denkmal setzen – und natürlich auch an den Wald erinnern, der damals für die Mauer verschwinden musste.

Auch so ein Kunstwerk verschwindet mit der Zeit sicher wieder?

Ja, die Patina kehrt durch neuen Bewuchs wie Moose und Flechten zurück. Wie schnell das geht, hängt von drei Faktoren ab: Klima, Neigung und Himmelsrichtung. In Vouglans sollte das Kunstwerk nach meinen Erfahrungen etwa fünf Jahre gut zu sehen sein.

Welche Staumauer wollen Sie als nächstes verschönern?

Noch ist nichts spruchreif, aber es gibt bereits ein paar Ideen. Mehr über das Reverse Graffito von Klaus Dauven in Vouglans erfahren Sie hier.


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